Dienstag, 30. Juni 2009

Fandom, Femslash und TV

Als hätte Gilmore Girls mir nicht schon genug angetan. Da versuche ich mich nach getaner Arbeit mit der Aufzeichnung einer unterhaltsamen Nichtigkeit zu erfreuen und dann das: Lorelei trennt sich von Luke… oder umgekehrt.
Wieso nur? Wieso?

Ich sollte ernsthaft erwägen, diese Serie aufzugeben. Sie quält mich. Schon allein, dass Jess offenbar keine Chance hat bei Rory… gut – sie ist ein Kind – weiß nicht was sie will – und er ist ja auch noch ein Baby… also keine Panik… sage ich mir zumindest.
Und dann das.
Selbstverständlich könnte es sein, dass Lorelei sich eines Tages eines Besseren besinnt, hoffentlich schon in der nächsten Folge, aber wenn man ihre Beziehungen so ansieht, besteht da eigentlich nicht allzu viel Hoffnung.

Dabei ist Luke – Scott Patterson – perfekt für sie. Brummig, ein wenig wie Bernd Das Brot. Verlässlich – wie Bernd und zudem erträgt er ihren Redeschwall.
Nicht zu vergessen – er besitzt Zukunftsaussichten, aktuell spielt er den Vater in Aliens in Amerika, Pro 7, Samstag – einer sehr komischen Serie über einen pakistanischen Austauschschüler, der sich nur immer wieder wundern kann. Wirklich sehr zu empfehlen.

Ich rekapituliere: Rory schießt Jess in den Wind, schnappt sich die Pfeife von Dean, der sie dann zum zweiten Mal abserviert, und wendet sich schließlich einem grinsenden, blondgelockten Hirni zu? Ist sie noch ganz dicht?
Gut – Logan besitzt einen Chauffeur, den er großzügig mit ihr teilt. Ich versuche mal meinerseits ebenfalls großzügig über gewisse politische Unkorrektheiten hinwegzusehen.
Schließlich stammt diese Serie aus der Prä-Obama-Ära, dem sogenannten Dunklen Zeitalter, in dem schon Michael Moore so treffend anklagte, dass Afro-Amerikaner im Dienstleistungsgewerbe oder an der Rezeption gern gesehen werden, aber wohl kaum an anderer Stelle. (z.B. als gleichgestellt oder so… um mal unverschämt zu werden.)

In Gilmore Girls haben wir Michel, den Quoten-Schwarzen, Quoten-Vielleicht-Homosexuellen, Quoten-Franzosen?... dann kommt lange nichts, und nun Frank – der Chauffeur.

Aber ich sehe schon über so vieles hinweg, dass es darauf nun auch nicht mehr ankommt.
Eine Freundin warf mir gerade erst vor, dass es sich bei Gilmore Girls um eine Seifenoper handle, um nur eines zu nennen.
Aber – ganz ehrlich – das kann doch nicht sein? Zugegeben, ich habe schon so lange keine Seifenoper mehr gesehen, dass ich nicht mehr weiß, wie so etwas aussieht, aber Gilmore Girls besitzt doch einfach viel zu viel schräge Elemente, beispielsweise die gesamte Bevölkerung von Stars Hollow, die Schleifchen verteilt, weil sich Luke und Lorelei getrennt haben.

Gut, die ganzen Liebesgeschichten – Jess, der permanent im Hintergrund lauert und sich nach Rory verzehrt – zumindest stelle ich mir das so vor – Lorelei, die Männer verschleißt wie andere Leute Turnschuhe. (Und das nur weil sie nicht erkennt, dass sie eigentlich für Olivia Dunham aus Fringe bestimmt ist, gesetzt den Fall sie kann sich mit Luke nicht mehr zusammenraufen. Lorelei und Olivia – hört sich schön an, und passt auch optisch. Lange habe ich gerätselt, zu wem sie passt, aber jetzt ist es klar. Ich bin nur des Crossoverns so müde, sonst würde ich ihnen eine wirkliche Chance einräumen.)

Apropos Crossover: Noch so ein Dilemma in Gilmore Girls – ich finde keinen geeigneten Slash. Stars Hollow ist frei von Frauen, die Lorelei gewachsen sind. Und die Männer… ganz im Ernst – das ist kein Slash-Material.
Außer Jess, und der ist ein Kind. Und außerdem eigentlich Peter Petrelli – also wenn er größer wird. Und Peter gehört natürlich schon Nathan. Daran lässt sich nicht rütteln. So unmoralisch und merkwürdig es ist – aber schließlich reden wir von den Petrellis, und für die gelten andere Maßstäbe.

Und schon bin ich glücklich bei Nathan angekommen, der übrigens gerade einen Preis erhalten hat für seine Performance in Staffel 3 der Serie Heroes. Yeah Nathan! Ich meine Adrian Pasdar.



Übrigens, wer sich für Nathan/Adrian interessiert: Vox ist so nett, und zeigt ‚Für alle Fälle Amy‘ zu grauenvollen Zeiten. (Aber wenn man um 4 oder 5 in der Nacht aufstehen muss, hat man Glück.)
Ich versuche gerade herauszubekommen wann, aber irgendwann während dieser Serie darf Adrian Amys Love-Interest spielen, obwohl da immer diese Spannung zwischen ihm und Amys Kollegen herrscht, die meiner Ansicht nach nicht unbedingt mit Amy zu tun hat. (Ja, ein paar seiner Auftritte habe ich schon genießen können.)

Amy wiederum, also Amy Brenneman spielt aktuell in ‚Private Practice‘ – irgendwas mit Ärzten.
Wenn ich jetzt Amy mit Lorelei verkuppeln könnte, schlösse sich der Kreis. Aber ich kann nicht.
Also gut, wir haben Nathan und Peter, Lorelei und Olivia, Amy und Bruce.
Für Jess und Luke muss ich noch suchen, aber vielleicht helfen Rory ein paar Jahre mit diesem grässlichen Snob, um wahre Schönheit zu erkennen.
Mit Luke allerdings benötige ich ernsthafte Hilfe. Der Mann hat etwas Besonderes verdient.

Und nun bleibt mir nur noch an dieser Stelle den Femslash Day zu empfehlen.
Der 18. Juli steht unter dem Zeichen des Femslash, das bedeutet posten, kommentieren, wohlfühlen. :)


Wer auf der Suche nach Inspiration und/oder hinreißenden Figuren ist: Numb3rs bietet eine Vielzahl wunderschöner Frauen, die meiner Ansicht nach allesamt bereit für eine Orgie sind.

Samstag, 13. Juni 2009

Gedanke

Die Wellen plätscherten gegen den Bootsrumpf, und doch schlingerte das Schiff nicht mehr so stark, wie es Aaron bislang vorgekommen war.

Vielleicht beruhigte die See sich gegen Abend.
Vielleicht gewöhnte er sich auch nur so langsam an das ständige Auf- und Ab, die permanenten Bewegungen, die dem Mensch, der sich entschieden hatte, längere Zeit auf dem Meer zu verbringen, zwangsläufig vertraut werden mussten, wollte er nicht in ihrem Verlaufe dem Wahnsinn verfallen.

Der Sonnenuntergang war traumhaft schön, auch wenn es sich lächerlich oder gar kitschig anhörte, dies zuzugeben.
Kein Geräusch, außer den beruhigenden Tönen, die das Wasser verursachte, und dem gelegentliche Knarzen des Bootes störte die Stille, einen Frieden, an dessen Existenz Aaron sich kaum noch erinnern konnte.

Seit Jahren hatte er nicht mehr diese Ruhe gespürt. Und seit Jahren nicht mehr diese Einsamkeit.
War das nicht der Grund für ihn gewesen, hinaus zu segeln? Einmal fortzukommen von all dem Trubel, dem Chaos in seinem Leben, der Verwirrung, die seine Tage bestimmten.

Einmal nachzudenken, über sein Leben, über die Zukunft, über die Situation, in die er sich katapultiert hatte, Hals über Kopf und ohne Nachzudenken, so wie er Zeit seines Lebens gewohnt war zu handeln.

Aber er war nicht mehr dieser junge Mann, der sich nach einem Stolpern wieder fangen konnte, der einen Schlag wegsteckte, und sich vom Boden wieder aufrappelte, sollte es nötig sein.

Er war erwachsen geworden, Himmel – er war vierzig Jahre alt.
Ein Alter, in dem man eigentlich wissen sollte, was man wollte, was man erwartete.
Ein Alter, in dem die Weichen gestellt waren, in dem nicht mehr viel existierte, das überraschte, in dem die wichtigen Entscheidungen längst getroffen worden waren.

Und er hatte diese Entscheidungen getroffen, schon vor Jahren. Als es richtig war, als es an der Zeit war, als er sie treffen musste, um weiter zu kommen im Leben.
Er hatte geheiratet, und es niemals bereut.
Fast nie bereut.

Nathalie war die perfekte Partnerin. Sie stand an seiner Seite, unterstützte ihn, wann immer es notwendig war, und ließ ihm doch seinen Freiraum, erlaubte ihm die Momente des Rückzuges, die er brauchte. Momente wie diesen hier auf See.
Und Momente, die er mit jemand anderem teilte, mit einem anderen Menschen.

Nathalie hatte von Anfang an gewusst, dass sie ihn nicht würde halten können. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass er nicht monogam war, dass er anders war, dass er Abwechslung brauchte.
Und er hatte ihr im Gegenzug versprochen, die Dinge, die er brauchte, von ihr fernzuhalten. Von der Öffentlichkeit fern zu halten.

Nicht nötig, sie bloßzustellen. Nicht nötig, sich selbst ins Gerede zu bringen. Nicht mehr als unbedingt notwendig. Nicht in seinem Beruf. Und nicht in ihrem Beruf. Und schon gar nicht in Hinblick auf ihre gemeinsamen Kinder.

Er war ein guter Vater. Er versuchte es zumindest. Soweit man ein guter Vater sein konnte, wenn man 360 Tage im Jahr unterwegs sein musste, und Freizeit ein Fremdwort blieb.
Auf jeden Fall bot er seinen Söhnen Halt. Er kümmerte sich um sie, wurde nicht müde, ihnen zu versichern, dass er für sie da wäre, wann immer und aus welchem Grunde auch immer sie ihn benötigten.

Sie sollten das Wichtigste in seinem Leben sein. Nathalie sollte das Wichtigste in seinem Leben sein.
Doch sie waren es nicht, und sie – Nathalie – war es auch nicht. Nicht mehr.

Nicht mehr seit er ihm begegnet war.

Aaron sah auf das Meer hinaus. Auf die Dunkelheit, die sich über das Wasser senkte, die Farben des Sonnenunterganges verschluckte.

Vielleicht – wenn er ihn früher getroffen hätte. Vielleicht – wenn er ihm begegnet wäre, bevor er Nathalie begegnete. Bevor er die Verantwortung für Kinder, für eine Familie auf seinen Schultern trug.
Vielleicht sähe es dann anders aus.
Vielleicht wäre alles einfacher.

Und doch wusste Aaron, besser als er sich zugestehen wollte, dass dem nicht so war. Es wäre nicht einfacher.
Er hätte sich verhalten, wie er sich bei jedem Mann zuvor verhalten hatte, sich in ein Verhältnis gestürzt, von dem sie beide wussten, dass es sein unvermeidliches Ende nach sich zog. Dass die Zeit begrenzt blieb, die Leichtfertigkeit erhalten, und jede Art von Ernst oder Bindung außer Frage stand.

Doch nun wusste er, was es bedeutete, eine Beziehung einzugehen. Er wusste, was von ihm erwartet wurde, und was er erwartete.

Er liebte Nathalie, und doch bekam er den Gedanken an Nico nicht aus seinem Kopf, konnte ihn nicht vergessen.

Jede wache Minute, jede Bewegung, die andeutete, dass er nicht alleine wäre, ließ ihn aufschrecken, hoffnungsvoll aufsehen.
Hoffnungsvoll, weil er sich wünschte, dass Nico bei ihm war.
Hoffnungsvoll, weil er nur für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, dass Nico die Grenzen der Physik und der Vernunft außer Kraft gesetzt hatte, um zu ihm zu kommen. Dass er alles über Bord geworfen hatte, nur um bei ihm zu sein.

Dass er seine Entscheidung getroffen hatte.
Und Nico hatte diese Entscheidung getroffen. Das wusste Aaron. Er hatte sich entschieden, hatte sich für ihn entschieden.

Nico hatte es ihm gesagt, hatte ihn beschworen, dasselbe für ihn zu tun, hatte ihn gebeten, mit ihm zu kommen.
Doch Aaron konnte nicht. Er konnte nicht, konnte es Nathalie nicht antun, konnte es Nico nicht antun.

Nico war jünger als er, zehn Jahre jünger. Zehn Jahre konnten eine Ewigkeit bedeuten.
Nico würde es bereuen, wenn er sich für Aaron entschied. Und noch viel schlimmer… er würde ihn verlassen. Ebenso wie Aaron selbst früher die Männer verlassen hatte, die sich an ihn banden.

Er war gegangen, bevor sie alt werden konnten, alt und hässlich. Noch bevor sie ihn fortstoßen konnten. Bevor er sich auf etwas einließ, dass nicht wieder rückgängig zu machen war.
Und er hatte nie verstanden, was er ihnen damit antat, nie erkannt, dass sie vielleicht mehr in ihm sehen konnten, als ein flüchtiges Abenteuer, eine momentane Erleichterung, eine Möglichkeit des zwanglosen Stressabbaus.

Nichts sprach dagegen, sich einer Leidenschaft hinzugeben, zu fühlen, zu leben, zu spüren, dass man, und warum man lebte.
Nichts – sofern man sich dessen bewusst war, was diese Leidenschaft bedeutete, oder vielmehr, was sie nicht bedeutete.

Warum verstand Nico das nicht?
Und warum verstand er selbst es nicht – verstand es nicht mehr?

Warum sehnte er sich auf einmal nach mehr? Warum war es ihm nicht genug, sich hin und wieder zu treffen, sich zu holen, was Nathalie ihm nicht geben konnte, und Nico zurückzugeben, was dieser bei der Freundin, die er der Welt zum Schein vorführte, nicht finden konnte?

Ein stummes Einverständnis – eine lediglich mit Blicken und Gesten getroffene Abmachung, die so einfach sein sollte, so unkompliziert, eine Abwechslung von dem Druck, den Zwängen, den notwendig gewordenen Lügen des Alltags.
Mehr war es nicht, mehr hatte es nie sein sollen.

Doch nun konnte Aaron nicht aufhören, an Nico zu denken. Er konnte nicht damit aufhören, ihn vor sich zu sehen. Schloss er die Augen, so sah er Nicos Gesicht, die großen, dunklen Augen, das wirre Haar, das ihm ungebändigt in die Stirn fiel, das schiefe Lächeln, den suchenden Blick.
Nico schien stets etwas zu suchen. Sein Blick enthielt ein Verlangen, einen unausgesprochenen Wunsch, eine Sehnsucht, die zu erfüllen eine zu große Aufgabe darstellte. Zu groß für ihn, zu groß für Aaron.

Was Nico brauchte, konnte er ihm nicht geben. Selbst wenn er alles aufgäbe – und Aaron hatte darüber nachgedacht. Während der dunklen Stunden, die er alleine in einem Hotelzimmer verbrachte, angetrunken in der Hoffnung doch noch ein wenig Schlaf zu finden, nachdem er den obligatorischen Anruf bei Nathalie getätigt hatte.
Eine Hoffnung, die von Stunde zu Stunde schwand, je länger er sich in den verschwitzten Laken wälzte, je öfter er seinen Arm ausstreckte, und nach der Gestalt griff, die er neben sich wähnte, die er neben sich wünschte, doch die sich in Nichts auflöste, sobald der Schleier des Halbschlafes, in den er verfallen war, sich senkte.

Er roch ihn, roch Nico immer.
Der Duft nach Rasierwasser, nach Schweiß, nach ihm verging nicht mehr. Er klebte an Aaron, war um ihn, egal was er unternahm, egal wie lange er sich wusch, duschte, mit intensiven Düften umgab.
Nicos Geruch existierte, wie sein Wesen, wie die Sehnsucht nach seinem Körper, nach harten Küssen, nach Händen, die wussten, was sie taten, die wussten, was Aaron brauchte.

Nicos Geruch verließ ihn nicht, auch wenn sie sich für Wochen nicht sahen. Ebenso wenig, wie der Gedanke an ihn verfliegen konnte.

Wenn alles um ihn zusammenbrach, wenn er unglücklich war, ohne Hoffnung in die Zukunft sah, wenn die Wellen über ihm zusammenschlugen, dann war der Gedanke an Nico noch bei ihm. Fest, stark, wie der Felsen, nach dem er sein Leben lang gesucht hatte. Ein Felsen, der in sich ruhte, der Halt bot in den Stürmen, die weder vorauszusehen, noch zu vermeiden war.
Ein Gedanke nur – doch dieser durchdrang jeden von Aarons Atemzügen, durchdrang seinen Körper gewaltsam, und ohne, dass er eine Chance besaß, sich gegen ihn wehren zu können.
Und Aaron wollte sich nicht wehren.

Er öffnete die Augen, und die Dunkelheit um ihn war vollkommen. Das Wasser trug ihn mit beruhigenden Bewegungen, hielt ihn, so wie ihn die Nacht sanft umgab.
Weit über ihm blinkte ein einzelner Stern, einer allein, dessen Licht die Wolken durchdrang, die Aaron mehr fühlte, als dass er sie sah.
Ein einzelner Stern – mehr war nicht nötig. Mehr brauchte er nicht.
Ein einzelner Stern, der sich weder durch Gischt, noch durch Nebel oder Dunkelheit davon abhalten ließ zu strahlen.
Ein einzelner Stern, eine einzelne Liebe – eine Lösung, eine einzige Lösung für alle Probleme, eine Antwort auf alle Fragen, auf seine Suche, auf Nicos Suche.
Vielleicht würden sie diese zusammen finden.

Und das Wasser plätscherte gegen den Bootsrand, während das Schiff scheinbar ziellos auf den Wellen schaukelte. Ziellos, und doch fest verankert.
Das Schiff wusste, was es brauchte, kannte seinen Weg.
Es konnte so einfach sein.

Alkohol

Alkohol und Zigaretten.

Ich erinnere mich an diesen Film: Kaffee und Zigaretten, ein nachweisliches Kunstwerk, erschaffen dereinst in Schwarz-Weiß von dem unvergleichlichen Jim Jarmusch.

Damals war es Mode zu behaupten, dass eine Tasse Kaffee, stark und schwarz selbstverständlich, zusammen mit einer Zigarette am Morgen genossen, die Lebensgeister auf wundersame Weise in Schwung brächten.
Vielleicht galt es allerdings auch nur als cool, auf diese Art zu frühstücken. Denn was ist schon cool an einer Schale Müsli, einer Schüssel Cornflakes oder einem Milchbrötchen mit Früchtetee?

Nein – es musste etwas Finsteres sein, etwas, das Düsternis und Selbstzerstörung verkörperte, und zugleich oder trotz dessen, anregend genug blieb, um Interesse aufrecht zu erhalten.
Kein hirnloses Zusaufen mit dem Glimmstengel zwischen den Fingern. Statt dessen Ja zum Leben, Ja zum Morgen, aber Nein zum Alter, Nein zur Gesundheit, Nein zur Selbsterhaltung.

Natürlich – wir alle wussten, dass Zigaretten schädlich waren, ebenso wie es heutzutage jedermann weiß. Aber hält das tatsächlich denjenigen ab vom Rauchen, der wirklich Rauchen will? Ganz sicher nicht. Im Gegenteil – das Interesse am Verbotenen wird lediglich gesteigert.

Wo war ich… bei Kaffee und Zigaretten, genau.
Also Zigaretten besitzen diese dumme Nebenwirkung – sie stinken. Und nicht nur, wenn sie abbrennen, und man zufällig an einem glimmenden Glimmstengel vorbeischreitet.

Nein – das riecht eigentlich sogar ziemlich lecker. Zumindest für den ehemaligen Raucher. Der kräuselnde, silbergraue Rauchfaden, der sich so elegant in die Lüfte erhebt, der Duft nach Teer und Nikotin, nach Verbrannten weckt Erinnerungen an die ersten Züge, die im Hals wohl brannten, und dennoch oder gerade deshalb die Köstlichsten waren.

Das ist natürlich keine Entschuldigung. Sondern im Gegenteil ein Argument dafür, mit dieser Unsitte erst gar nicht anzufangen. Denn hat man einmal mit dem rauchen begonnen, so ist der Samen gesetzt, so schlummert die Sehnsucht nach der Zigarette bis in alle Ewigkeit, oder zumindest, bis man zum allerletzten Mal die Augen schließt, in den Tiefen der eigenen Seele, bereit herauszukommen, sobald man nur auf dem Bildschirm, nur auf einem Foto des verlockenden Stengels ansichtig wird.

Vergessen die Zeiten der Loslösung, der heldenhafte Kampf gegen die Versuchung, das Bedürfnis an jedem Auspuff zu schnuppern, jede Garage, jeden U-Bahn-Tunnel in die eigenen Lungen zu saugen, um zumindest den geringsten, schäbigsten Ersatz für die Droge zu bekommen.

Und bei all dem stellt sich die widersinnigste aller Fragen – was hat man überhaupt von der Zigarette?
Sie verleiht einem keine Träume, versorgt nicht mit Illusionen, noch nicht einmal die Selbsteinschätzung ändert sich – bis auf die fatale und längst veraltete Vorstellung von Coolness.

Nur dass der letzte Rest dieser Vorstellung verfliegt, sobald ein Gegenüber tief Atem holt. Denn gerade während dieser Sommertage, gerade in Verbindung mit anderen Substanzen reagiert der andere gerne mit einer speziellen Form des Naserümpfens.

Selbstverständlich bemerkt der erprobt coole Raucher und Kaffeetrinker ein solches Naserümpfen nicht. Es könnte auch sein, dass er darüber steht, dass Kleinigkeiten wie seine Wirkung auf andere nicht von dem Material sind, über das er sich Gedanken macht.
Zugegeben – eigentlich und wiederum eine recht gesunde Einstellung. Der Raucher scheint doch etwas richtig zu machen.

Problematisch wird es nur, wenn besagter Raucher eines Tages doch der Zigarette entsagt. Und machen wir uns nichts vor – irgendwann wird es passieren.
Mit der Aufgabe der Zigarette, setzt nämlich zwangsläufig und irgendwann früher oder später ein längst vergessener oder verdrängter Sinn ein - der Geruchssinn.

Auf einmal riecht man wieder. Ein Argument, das selbstverständlich auch für das Rauchen sprechen könnte, je nachdem wo man lebt oder arbeitet. Es kann sich durchaus um einen Segen handeln, wenn der Mensch nicht gezwungen ist, alles zu riechen, was ihn umgibt.

Nichtsdestotrotz ist der Geruchssinn einer von der Sorte, der auch Freude machen kann. Die Welt duftet plötzlich wieder. Blumen, Parfüm, Duft-Öle – zuvor nicht existente Welten kehren ins Bewusstsein zurück.

Aber natürlich riecht man auch Übles. Und damit ist nicht die vor sich hin glimmende Zigarette gemeint… die Rauchwolke, nach der man unwillkürlich schnuppert, schlendert man an einem Raucher vorbei, während die letzten Reserven mobilisiert werden, um besagtem Raucher nicht seinen Glimmstengel aus der Hand zu reißen, sondern stoisch weiterzuschreiten und sich an der eigenen Stärke und Willenskraft zu erfreuen.

Nein, die Zigarette – der Zigarettenrauch zählt zu den verlockenden Düften.
Der Raucher selbst mitnichten.
Unter verschiedensten Umständen kann es passieren, dass selbst der oft erwähnte abgestandene Aschenbecher besser riecht, als der Raucher. Wer erinnert sich nicht an diesen unheiligen Dunst, diese Wolke von unsichtbarer und dennoch geradezu erschlagender Wucht?

Habe ich auch so geduftet, als ich noch aktiv war, fragt man sich unwillkürlich, und vielleicht zum ersten Mal ohne die leise Wehmut, ohne das Gefühl des unerträglichen Verzichts, der einer geradezu unverdienten Strafe gleichkommt.

Und man muss sich eingestehen, dass die Zeichen dafür sprechen, dass eine Zigarette nun mal Zigarette ist, und in Kombination mit dem menschlichen Körper gewisse Effekte produziert. Nichts passiert ohne Folgen.
Du bist, was du isst, also auch was du rauchst. Und du duftest auch wie du rauchst.

Selbstverständlich kannst du den Zigarettenmief mit einem guten Deo zu kaschieren versuchen, aber seien wir ehrlich – so stark ist kein Deo. Da helfen nur schwere Geschütze, und viele Leute lehnen es ab, als wandelnde Duftlampe durch die Gegend zu laufen.


Doch komme ich vom Thema ab, zielte ich doch eigentlich in Richtung Alkohol – wie immer.
Aber mittlerweile sind wir auch über das Frühstück hinaus. Der Tag beinhaltet schließlich noch mehr.
Lassen wir Mittagessen und belanglose Nichtigkeiten wie Arbeit, Uni
oder Schule beiseite, und gehen direkt zum interessanten Teil des Tages über.

Natürlich besteht durchaus die Möglichkeit, sich bereits vor der Happy Hour mit einem guten Schluck zu trösten, aber ich gehe doch davon aus, dass die meisten Menschen etwas stärker sind als ich, und deshalb bis zum Abend warten, um sich einen hinter die Binde zu gießen.

Wie dem auch sei: ein gemütlicher Tagesabschluss, ein Drink, eine Zigarette, um die Nervosität zu überbrücken, wenn die hübsche Blonde, oder der hübsche Dunkelhaarige zufällig herübersieht.
Keine Frage, das gehört dazu und kommt gut.
Nur dass die Kombination duftmäßig gesehen eine weitaus durchschlagendere Wirkung besitzt, als die Zigarette allein.
Oh ja… diese Kombination tötet empfindliche Geruchsnerven. Und das am erfolgreichsten, wenn man Bier zu dem Mix gibt.

Wir haben also zwei Möglichkeiten: Entweder sehen wir cool aus, fühlen uns cool, und rauchen und trinken ohne Scham und Zurückhaltung.

Oder wir leben anständig, brav, abstinent, und der teure Duft, den wir uns von dem Geld leisten können, das wir uns durch die Vermeidung des Kaufes von Alkohol und Zigaretten sparen, entfaltet sich wie eine Blume. Ohne Hindernis, ohne Barriere, ohne dass eine legale Droge uns das Gehirn vernebelt.

Natürlich, selbstverständlich und fraglos existieren gerade für den Alkoholgenuss noch andere Gründe, außer, dass er legal ist. Positive Aspekte, die zu erwähnen sich von selbst verbietet, möchte ich nicht die stets auf tönernen Füßen schwankende Trockenheit gefährden.

Nur zu dem einen, entscheidenden Punkt: Man kann sich wunderbar damit umbringen. Vor allem dauert das. Es zieht sich ein Weilchen hin, bis die Leber ruiniert ist. Und dann fängt sie an zu schmerzen.
Zusammen mit der einsetzenden Übelkeit ist es fast möglich, dass der Mensch schwach wird, und freiwillig mit den harten Getränken aufhört. Ja vielleicht sogar das Trinken vollkommen bleiben lässt. Zumindest für eine Weile. Wenn man so will.

Dummerweise regeneriert die Leber sich unter Umständen wieder. Ja, die Leber kann fast wieder gesund werden, und ihre Tätigkeit munter wieder aufnehmen. Und je nachdem wie konsequent man den Alkoholismus betrieben hat, umso langfristiger und vielleicht vorerst noch unbemerkt bleiben die Langzeitschäden.

Ja, der menschliche Körper ist ein Wunderwerk, und ausgesprochen widerstandsfähig.
Es kann durchaus sein, dass man einigermaßen stabil aus dieser Sache hervorgeht – Neigung zur Selbstzerstörung hin oder her.

Und natürlich – und zur Beruhigung labiler Geister – kann mit gutem Gewissen behauptet werden, dass ja doch die Möglichkeit besteht, sich jederzeit dem guten Trunk erneut zuzuwenden.

Ja, der Mensch darf jederzeit – vom gesetzlichen Standpunkt betrachtet – seine Meinung ändern, und damit fortfahren, sich zu Tode zu trinken.

Unterstützend und hilfreich wirkt natürlich auch hier, dass Rauchen. Zigarettenindustrie, Gewerbesteuer, der Staat und der Teufel – schätze ich – sich nebst vielen anderen Unerwähnten freuen, wenn das Geschäft boomt, und eifrig gequalmt wird.

Genauso wie sich die Waffenindustrie durchaus offen freuen darf, wenn sich ein Konflikt über kurz oder lang zuspitzt.
Und ist nicht das Wirtschaftswachstum das Wichtigste? Haben wir das nicht alle gelernt?

Wohlgemerkt – das Wachstum unserer Wirtschaft natürlich. Also der, auf die es ankommt.

Denn mit der Beachtung eines biologischen Grundgesetzes dürfte jedem denkenden Menschen klar werden, dass Wachstum in jeder Form Konsequenzen nach sich zieht.
Konsequenzen für eine andere, unbedeutende Existenzform. Eine Form, von der man bald nichts mehr weiß, da sie zwangsläufig überwuchert wird.

Ist ja auch klar – irgendwohin muss die Wirtschaft wachsen. Also wächst sie dorthin wo sie vorher nicht war. Wo vorher etwas anderes war. Zum Beispiel eine andere Kultur. Und was interessiert es unser Wachstum, wenn diese Kultur ausgerupft, ausgedörrt oder vernichtet wird. Der Kolonialismus war nur die Spitze des Eisbergs. An dem Rest wird munter weitergearbeitet.

Mittlerweile interessiert das natürlich niemanden mehr, da die ‚Krise‘ hier angekommen ist, unerwartet, unbeschreiblich und aus dem Nichts aufgetaucht. Deshalb wird diese Krise erst einmal behandelt. Der Blick auf globale Zusammenhänge limitiert sich dadurch von selbst. Hatten wir zuvor vielleicht noch einen mitleidigen Blick übrig auf ein verarmtes Land, so sind wir nun ausreichend mit der Selbsterhaltung beschäftigt, um jenem Land zuzutrauen, sich doch selbst und an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen.

Es versteht sich also auch von selbst, dass wir keine Möglichkeit mehr besitzen, auf Geringfügigkeiten wie faire Kaffeepreise Rücksicht zu nehmen. Um Gottes Willen – sonst noch was?

Nein – wir, als Opfer der Krise, sind geradezu verpflichtet uns das Billigste vom Billigsten anzuschaffen, im Konsum zu schwelgen, Angebot und Nachfrage zu regeln, und uns überhaupt wie pflichtbewusste Bürger dieses Landes zu verhalten.

Den Kaffee erlauben wir uns – natürlich – wir sind schließlich eine Nation von eingeschworenen Kaffeetrinkern.
Und die Zigarette kurbelt die Wirtschaft an, sorgt für Arbeitsplätze, erspart der Gesellschaft die Rentenkosten, und dem Raucher selbst das Alter.

Gleiches lässt sich auch für den Alkohol anführen.

Die Vorteile des freudigen Konsums überwiegen demnach eindeutig. Vergessen wir also belanglose Kleinigkeiten wie unangenehme Gerüche. Sie gehören zum Leben, so wie alles andere auch.

Vergessen wir den menschlichen Trieb zur Selbsterhaltung. Irgendwann muss damit Schluss sein.
Und loben wir gemeinsam die nie nachlassende Tendenz zur Selbstzerstörung, den alles überragenden Sieg der Lässigkeit, die Verdrängung von Realität und Durchblick.
Den unnachahmlichen Charme, den ein qualmender und saufender Fünfzigjähriger verströmt, oder die Anziehungskraft einer Dame in den besten Jahren, die sich alleine auf ihrem Sofa den Likör gibt, bis sie ins leerstehende Bett taumelt.
Das ist unsere Gesellschaft. Lieben und erhalten wir sie. Alkohol und Zigaretten bleiben dabei unerlässlich.