Sonntag, 18. Oktober 2009

Klan

Titel: Durchschnittsfamilie
Autor: callisto 24

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Beschäftigen wir uns mit der Interaktion innerhalb einer Durchschnittsfamilie. Obwohl es sich in diesem Fall im Grunde nicht direkt um eine Durchschnittsfamilie handelt. Wenn wir ehrlich sind, fällt diese Familie sogar in mehr als einer Hinsicht aus dem Rahmen. Aber besehen wir uns die Lage objektiv, so springen vorerst weder Ecken noch Kanten ins Auge. Erst bei genauerer Betrachtung offenbaren sich die unschönen Wahrheiten, der versteckte Hass und die verwirrten, verwischten und durcheinandergewirbelten Gefühle, die zu erkennen, zu analysieren, ja selbst auseinanderzudividieren dem Familienmitglied in der Regel das Werkzeug abgeht. Einige Jahre intensiver Therapie können hilfreich erscheinen, um Mechanismen aufzudecken, die nur allzu negative Folgen nach sich ziehen können. Doch andererseits nützt auch diese Offenbarung letztendlich nicht mehr, als ein endgültiger Rückzug es tun könnte.
In besagter, angesprochener Familie kommt es nun zu den üblichen, Familientreffen, denen aus vielerlei Gründen positive Auswirkungen zugeschrieben werden. Als solche seien erwähnt die unweigerlich auftretenden Gefühle der Zusammengehörigkeit, der Liebe, der Verbindungen, die so deutlich mit den Banden des Blutes zusammen hängen. Ob da nun Blut im Spiel ist, oder nicht.
Und hin und wieder legen diese Familientreffen ob absichtlich oder unabsichtlich dar, worin die Problematik, das verborgen schwelende Unheil liegt.
In dem Fall, auf den wir uns hier beziehen, war es die unschuldig vorgebrachte Bemerkung, den bevorstehenden Urlaub betreffend, die offenbar verschiedene Fässer zum überlaufen brachte, ohne dass diese sich ihrer Fülle vielleicht sogar bewusst waren.
Denn so erzählte der Sohn der Familie in Gemeinschaft mit Frau und Kindern davon, einer bevorstehenden Reise ins Auge zu sehen. Worauf die Vertreterin jener Familie, gut, eine der Vertreterinnen, nämlich seine Mutter, mit der kurzen Frage konterte: „Schon wieder?“
Nun beharre ich persönlich doch auf meiner Überzeugung, dass jene Frage in aller Unschuld und bar jeder bösen Absicht oder anklagender Hintergedanken gestellt worden war. Immerhin handelte es sich bei der Fragestellerin um eine Frau. Und wie wir alle wissen, sind Frauen schnell mit dem Wort. Oftmals schneller als mit ihren Gedanken, die zudem noch in eine vollkommen andere Richtung gehen können, als ein Sprössling, noch dazu einer vom anderen Geschlecht, sich ausmalen könnte.
Wen sollte es also wundern, dass eine Äußerung wie die angegebene, falsch verstanden wurde und noch dazu in einer Kehle landete, die daran zu ersticken drohte. Oder wie anders lässt es sich erklären, dass der erwähnte Sprössling, also der im Begriff abzureisen Stehende, lautstark zurückbellte.
Und nicht nur das. Er erklärte wortreich und mit geradezu unüberhörbarer Deutlichkeit, dass er sozusagen niemals in den Urlaub fahre, täglich vierundzwanzig Stunden im Dienste von Job und Familie tätig sei und auch sonst jedwede Anschuldigung weit von sich weise.
Nun gut. Stellt sich die Frage, wo er eine Anschuldigung gehört hat. Denn die erwähnte Mutter reagierte mit großen Augen und zitternden Lippen. Und für eine redegewandte Dame wie sie äußerst auffälligem Schweigen. Für den neutralen Beobachter blieb zu erkennen, dass sie sich bei ihrer Frage wenig bis nichts und schon gar nichts Böses gedacht hatte. Oder vielleicht doch?
Man sollte auch die Verschlagenheit einer Durchschnittsmutter nicht unterschätzen. Denn die Tatsache bleibt, dass der erwähnte Sohn, und dies wurde maßgeblich im Familienkreise zu einem späteren Zeitpunkt, bei dem jener selbstverständlich nicht anwesend war, diskutiert, doch recht häufig verreiste. Zum puren Vergnügen verreiste, nicht etwa geschäftlich. Und warum auch nicht? Wer mache ihm daraus einen Vorwurf?
Was war hier also vorgefallen? Prallte das Schuldgefühl eines Sohnes, der sehr gerne reiste mit der Frustration einer Mutter zusammen, die ihm diese Möglichkeiten neidete? Eskalierte die Situation aus den Gründen verdrängten schlechten Gewissens und den unausgesprochenen, doch dafür angedeuteten Vorwürfen, die das schlechte Gewissen verstärkten und damit zur Katastrophe führten? Oder wie anders lässt es sich erklären, dass ein kurzer, einfacher Dialog zu einer jener Nachrichtenmeldungen führte, die das Auslöschen einer Familie beinhaltete inklusive des Selbstmordes des Täters.
Welcher der Betreffenden den Abzug drückte, möge jeder für sich selbst entscheiden. Nur soviel sei gesagt: Es muss nicht immer das männliche Chromosom als ausschlaggebend für Gewalttagen zeichnen. Nicht immer. Auch wenn die Natur sich meistens doch ihre Bahn bricht.

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