Freitag, 5. Februar 2010

Maske

Titel: Maske
Autor: callisto24
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Maske
Teures Geld


Dienstag Nachmittag war es immer mehr als ruhig in der Bank. Helga Winters gähnte verstohlen und warf einen kurzen Blick auf die große Uhr über der Eingangstür. Nur noch zehn Minuten bis Schalterschluss. „Dem Himmel sei Dank“, seufzte sie erleichtert und dachte an ihre schmerzenden Füße. Vor ihrem Schalter kramte Frau Dietl hektisch in ihrer Handtasche, für Helga ein bekanntes Bild. Sie mochte die kleine, magere Rentnerin, die ungefähr einmal im Monat vorbeikam und jedes Mal Fragen zu ihren Kontoauszügen oder Überweisungsformularen mitbrachte. Gerade wollte Helga Winters sie ansprechen, als die Tür sich öffnete und einen Schwall eiskalte Luft hineinließ. Ein Mann, dessen Gesicht von der tief in die Stirn gezogenen Mütze und einem grauen Schal beinahe völlig verdeckt wurde, trat hastig ein. Er schritt schnurstracks auf den Kassenschalter zu, vorbei an der alten Dame, die verwirrt zu ihm aufsah. Helga lächelte dienstbeflissen, aber der Mann sagte keinen Ton.
Stattdessen schob er ihr mit einer schnellen Bewegung einen Zettel zu. Sie warf einen Blick darauf und erstarrte sofort. Das war die Situation, vor der sie sich immer insgeheim gefürchtet hatte. „Ich schieße sofort, wenn Sie Alarm geben. Alles Geld in diese Tasche!“ stand auf dem unscheinbaren Blatt Papier. Helga spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Unter der Mütze des Fremden blitzten zwei dunkle Augen gefährlich auf. „Keine Dummheiten“, vernahm sie wie aus weiter Ferne eine heisere Stimme. Im gleichen Augenblick schob der Bankräuber eine schwarze Aktentasche, an deren Ecken die Farbe bereits abging, zu ihr herüber. Wie in Trance blickte Helga auf das Ungetüm von Tasche, das vor ihr aufragte, unfähig sich zu rühren. „Wird’s bald“, zischte ihr Gegenüber und nahm seine Hand aus der Manteltasche. In ihr blitzte es silbern auf. „Eine Waffe, natürlich er hat auch eine Waffe“, schoss es ihr durch den Kopf, während sie blitzartig aus ihrer Ohnmacht erwachte. „Ich werde tun, was Sie wollen“, sagte sie betont ruhig und nahm die Aktentasche auf ihre Seite des Schalters. Langsam öffnete sie die Kasse, während sie versuchte, sich an die Worte des Kursleiters in dem Lehrgang über Ausnahmesituationen in der Bankpraxis zu erinnern. „Um jeden Preis Ruhe bewahren“, betete sie sich vor. „Nur nicht durchdrehen, niemanden gefährden.“ Sie atmete tief durch und legte dann ein Bündel Scheine nach dem anderen in die Tasche. Ihre Hände zitterten, als sie schließlich den Schein aus der unteren Ecke der Kasse zog, von dem sie wusste, dass sein Entfernen den Alarm im Polizeipräsidium von Mosdorf auslösen würde. „Geht es nicht etwas schneller?“, flüsterte der Fremde, wobei der nervös von einem Fuß auf den anderen trat. „Nun machen Sie schon.“
Helga raffte nun einfach den restlichen Inhalt der Kasse zusammen und stopfte das Ganze in die Tasche. Ihr Herz raste, während sie dieselbe schloss und dem Bankräuber über den Tisch schob.
Einen Augenblick war ihr, als höre sie seinen röchelnden Atem, aber es war wohl nur Täuschung. „Keine Dummheiten“, stieß er hervor und hob die Waffe. Dann ergriff er seine Beute und hastete zum Ausgang. Frau Dietl, die die Situation bis dahin wohl nur erahnt hatte, stieß einen leisen Schrei aus und sah den Räuber mit weit aufgerissenen Augen an. Helga schnappte hörbar nach Luft und befürchtete bereits das Schlimmste. Die alte Frau konnte sich Schreck nicht rühren und stand dem Fremden genau im Fluchtweg. Dieser fackelte nicht lange, sondern stieß sie roh zur Seite und lief rückwärts zur Tür.
Die beiden Frauen sahen sich an. Sie konnten nur noch hören, wie auf der Straße ein Motor aufheulte und ein Wagen mit quietschenden Reifen davon fuhr. Helga Winter spürte wie ihr schwarz vor den Augen wurde. Mit einem Seufzer sank sie auf den Boden. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die grüne Uniform eines jungen Polizisten, der sie beruhigend ansah. „Es ist alles überstanden, Frau Winter“, sagte er. „Der Notarzt ist bereits verständigt. Sie haben einen Schock, das ist kein Wunder nach dem, was sie durchmachen mussten. Frau Dietl hat uns schon ins Bild gesetzt. Mit ihrer Hilfe nun werden wir den Täter sicher bald fassen können.“

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