Samstag, 18. Juli 2009

Steppe

Titel: Steppe/Savanne
Autor: callisto24

Steppe/Savanne

Von weitem wirkte es, als schliche der Coyote geschmeidig einher. Sein gesenkter Kopf schien Witterung zu erfassen, seine Augen jedes Flirren in der Steppe wahrzunehmen. Er bewegte sich langsam. Seine geduckte Haltung erinnerte aus der Ferne an einen geplanten Angriff, als stünde das Tier kurz davor zum Sprung anzusetzen.
Nur dass es hier keine Beute gab. Die Savanne war buchstäblich leergefegt, leer von allen Zeichen des Lebens, mit Ausnahme der ausgetrockneten Pflanzen, die sich dem schwachen Wind beugten.
Die Sonne brannte hinunter, erleuchtete den Grund in all seinen winzigen Details. Jedes Sandkorn wurde sichtbar, jede noch so schwache Regung fiel auf.

Nur dass sich nichts regte. Sogar die Insektenwelt zeigte sich gelähmt. Gleißende Hitze drückte jedes Wesen, jede Seele zu Boden, verdickte ihr Inneres, bis weder Blut noch andere Säfte fließen konnten, bis jeder Versuch eines Atemzugs in trockene Starre verfiel.
Die Steppe zeigte an diesem Tag ihr tödliches Gesicht, und der Coyote wusste es.
Seine Haltung demonstrierte das letzte Aufflackern eines Stolzes, der seiner Art stets abgesprochen wurde, doch die er umso heftiger zu verteidigen gedachte.
Der Kampf oder gar der Angriff lag nicht in seiner Natur. Seinesgleichen wartete, lauerte im Geheimen und schnappte dann gierig nach Überresten, die ein größeres, ein stärkeres Tier als sie gnädig dem Verrotten überließen.

Feigheit warf man ihnen vor, und Bequemlichkeit. Doch der Coyote wusste es besser.
Ohne ihn und sein Werk wäre die Weite der Savanne nicht der Ort durch den er sich nun bewegte.
In Brand gesteckt durch die unerträglichen Strahlen einer unermüdlichen Sonne gäbe es keine gelbe, trockene und sanft geschwungene Ebene. Keine flirrenden Sinnestäuschungen, die in der Ferne lauerten, keine ausgetrockneten Organe, die nach rettender Flüssigkeit schrien, während sie ihren Weg durch verdorrtes Gras suchten.

Das Land ohne ihn gliche am ehesten noch einem Pfuhl erfüllt von Seuchen, einem stinkenden Moor, in dem kriechende Kadaver nur noch bewegt wurden von den Heerscharen an Maden und Fliegen, die sich auf ihnen, um sie herum und unter ihnen tummelten.
Deshalb behielt der Coyote seine Selbstachtung, deshalb wusste er, dass seine Existenz von Bedeutung war, dass er sich aufrecht halten konnte, durfte und musste.
Nicht für sich, sondern um ein Zeichen zu setzen, um all den anderen fehlgeleiteten Wesen, die sich nach Anerkennung, nach einem Sinn sehnten, zu beweisen, dass dieser Sinn existierte.

Er kroch vorwärts und bemühte sich, aufrecht zu bleiben, stark zu erscheinen, stark und gefährlich, wo doch seine letzten Kraftreserven längst aufgebraucht, jeder Atemzug eine qualvolle, letzte Bemühung darstellte, das Unabänderliche heraus zu zögern.
Dieses war sein Ende, der letzte Gang durch die Steppe. Und alles, was er zuvor getan hatte, versank im Angesicht der Unendlichkeit.
Die Welt zerfiel vor seinen Augen, so wie sein Rudel von ihm gefallen war.
Und dann gab der Coyote auf, erlaubte der Dunkelheit die blendende Helle um ihn zu ersetzen, ihn zu halten und zu schaukeln, bis er sein Ziel erreichte und die Ebene verließ. Für immer verließ.

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